Was als Katastrophe begann, entwickelte sich zu einem Triumph: Jethro Tulls sechstes Studioalbum A Passion Play erklomm trotz widriger Umstände den ersten Platz der US-Charts und prägte den Progressive-Rock der 70er Jahre. Das Album wird nun von Steven Wilson neu gemischt als Doppel-CD, und Doppel-DVD (Audio und Video) sowie zum Download veröffentlicht, einschließlich der verworfenen Aufnahmen.
Nach den Erfolgen von "Benefit" (VÖ: 1970), "Aqualung" (VÖ: 1971) und "Thick As A Brick" (VÖ: 1972) waren Jethro Tull auf dem Höhepunkt ihrer Popularität. Ihre Tour zu "Thick As A Brick" führte sie in die größten Arenen weltweit. Doch der immense Erfolg stellte die Band vor eine schwierige Frage: Wie toppt man ein Konzeptalbum, das aus einem einzigen 44-minütigen Song besteht? Die Antwort: Ein neues Album, wieder mit einzelnen Songs.
Erstmals in ihrer fünfjährigen Karriere gingen Jethro Tull mit unverändertem Line-up ins Studio. Bandgründer Ian Anderson komponierte auf akustischer Gitarre, Saxophon und Flöte, während Gitarrist Martin Barre, Bassist Jeffrey Hammond-Hammond, Schlagzeuger Barriemore Barlow und Keyboarder John Evans seine Ideen umsetzten. Doch die Wahl des Studios wurde zur Herausforderung.
Das Studio sollte auf dem Festland liegen, um Steuern zu sparen, und eine komfortable Umgebung bieten. Das Château d’Hérouville bei Paris schien perfekt: Elton John und Pink Floyd hatten dort erfolgreiche Alben aufgenommen. Es gab Wohnräume und ein super ausgestattetes Studio – die ideale Wahl. Doch es kam anders.
Die Aufnahmen gerieten zum Desaster. Technische Probleme im Studio waren erst der Anfang. Die Band musste sich einen kargen Schlafraum teilen und hatte mit Bettwanzen zu kämpfen. Als wäre das nicht genug, erkrankten alle Bandmitglieder an einer Lebensmittelvergiftung durch das Inhouse-Catering. Frustriert kehrten sie nach Hause zurück und ließen das aufgenommene Material von etwa einer Stunde Länge liegen. Statt es zu retten, entschieden sie sich für einen Neuanfang.
So entstand A Passion Play, ein 45-minütiges Prog-Rock-Meisterwerk mit komplexen Rhythmen, tiefgründigen Texten und anspruchsvoller Musik. Das Album thematisiert den Kreislauf von Wiedergeburt und ewigem Leben – der klassische Kampf von Gut gegen Böse, Gott gegen den Teufel. Trotz aller Widrigkeiten wurde es eines der beeindruckendsten Alben von Jethro Tull und erreichte sofort Platz 1 der US-Charts.